19. Juni, 2025

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Israels Angriff auf Irans Atomanlagen: Das Kernproblem liegt tiefer

Mit gezielten Luftschlägen hat Israel zentrale Teile des iranischen Atomprogramms zerstört. Doch der gefährlichste Teil der Infrastruktur blieb unangetastet – und die Bedrohung besteht weiter.

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen: Das Kernproblem liegt tiefer
Israel griff gezielt auch ein Kraftwerk an, das möglicherweise die Stromversorgung von Fordo unterstützt. Experten gehen jedoch davon aus, dass Notstromsysteme die Urananreicherung trotz Angriff kurzfristig sichern können.

Gezielte Schläge, begrenzte Wirkung

Die Bilder der Zerstörung sind eindeutig: Israels Luftwaffe hat in Natanz und Isfahan empfindliche Teile des iranischen Atomprogramms getroffen. Zentrifugenhallen, Forschungseinrichtungen, Anlagen zur Uranmetallproduktion – alles schwer beschädigt oder völlig zerstört.

Doch trotz des Erfolgs bleibt der wichtigste Teil des Programms verschont: die unterirdische Anlage in Fordo.

Der amerikanische Nuklearexperte David Albright verfolgt die Entwicklung seit Jahren. Seine Einschätzung ist klar:

„Fordo bleibt der Knackpunkt. Solange diese Anlage intakt ist, kann der Iran jederzeit weiterarbeiten.“

Fordo – das unzugängliche Ziel

Fordo ist nicht irgendeine Urananreicherungsanlage. Sie liegt tief in den Bergen, geschützt vor den meisten konventionellen Bomben. Selbst modernste bunkerbrechende Waffen stoßen hier an ihre Grenzen.

Der Angriff auf Fordo wäre eine technisch hochkomplizierte Operation. Albright vergleicht es mit einer Szene aus Top Gun: Maverick, bei der Kampfpiloten präzise Bomben in winzige Lüftungsschächte manövrieren müssen, um ihr Ziel zu treffen.

Israel hat sich bislang gegen einen solchen Hochrisikoeinsatz entschieden. Stattdessen griff es ein Elektrizitätswerk in der Nähe an, das möglicherweise die Stromversorgung von Fordo unterstützt.

Ob dies spürbare Auswirkungen hatte, ist fraglich. „Selbst bei Stromausfällen kann die Anlage kontrolliert heruntergefahren werden“, erklärt Albright. „Fordo ist auf solche Szenarien vorbereitet.“

Fordo liegt tief im Felsmassiv südlich von Teheran. Die schwer gesicherte Anlage kann hochangereichertes Uran produzieren und gilt als nahezu unzerstörbar für herkömmliche Luftangriffe.

Reichlich spaltbares Material – aber noch keine Bombe

Natanz war bislang das Herzstück der Urananreicherung. Hier lagerten zehntausende Zentrifugen, hier entstand auch das meiste hochangereicherte Uran.

Die Israelis zerstörten zudem eine kleinere Fabrik, die bereits Uran mit 60-prozentiger Anreicherung produzierte – nur noch einen Schritt von waffenfähigem Material entfernt.

Doch trotz der Zerstörung bleibt der Vorrat an bereits produziertem Material bestehen. Wie viel davon vor den Angriffen ausgelagert wurde, ist unklar. Für Albright steht fest:

„Allein das Vorhandensein von Material reicht noch nicht. Es fehlen Sprengköpfe, Trägersysteme und Testmöglichkeiten.“

Doch diese technischen Hürden könnten schneller überwunden werden, als manch einer hofft.

Der brisante Angriff auf Isfahan

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Angriff auf das Forschungszentrum Isfahan. Hier arbeitete der Iran laut israelischen Angaben an kritischen Komponenten für einen möglichen Atomsprengsatz: dem sogenannten Zündmechanismus. Dabei geht es um mehr als nur einen einfachen Auslöser.

„Die Herstellung eines funktionierenden Nuklearsprengkopfs erfordert perfekte Synchronisation“, erläutert Albright. Besonders kritisch wäre die Entwicklung eines sogenannten Neutroneninitiators, der den exakten Startzeitpunkt der Kettenreaktion steuert.

Ob der Iran an dieser Schlüsseltechnologie gearbeitet hat, bleibt offen. Doch allein die Möglichkeit erklärt, warum Israel hier so konsequent vorging.

Der mögliche Showdown rückt näher

Die entscheidende Frage bleibt: Wie nah ist der Iran wirklich an der Bombe Albright bleibt vorsichtig. „Sie besitzen genug spaltbares Material für mehrere Sprengsätze. Aber der letzte technische Schritt zur Einsatzbereitschaft scheint bisher nicht vollzogen.“

Allerdings könnte der Iran versuchen, zunächst einen einfachen Testsprengsatz zu bauen – nicht als Waffe, sondern als Machtdemonstration. Ein solcher Test wäre politisch ein Erdbeben und würde Teheran schlagartig in den Kreis der offiziellen Atommächte katapultieren.

Die unterschätzte Gefahr des Terrorszenarios

Während der Westen auf technische Details schaut, warnt Albright vor einer anderen Gefahr. Der frühere Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Fereydoun Abbasi-Davani, sprach kurz vor seinem Tod von einem möglichen nuklearen Terrorakt: ein einfacher Sprengsatz, heimlich ins Ausland gebracht und dort gezündet.

Ein solcher Anschlag wäre für Israel, seine Verbündeten und auch für Europa ein kaum kalkulierbares Risiko. „Fordo bietet genau den Schutz, der für solch geheime Entwicklungen notwendig wäre“, so Albright.

Ein Wettlauf mit der Zeit

Der zerstörerische Schlag Israels hat das Atomprogramm zwar massiv zurückgeworfen, aber nicht beendet. Albright fasst zusammen: „Die Iraner können die zerstörten Anlagen innerhalb weniger Monate neu errichten – diesmal noch besser geschützt.“

Was bleibt, ist ein gefährliches Patt: Teheran besitzt das Know-how, die Materialien und die Infrastruktur, um jederzeit nachzurüsten. Israels Angriff hat Zeit gekauft – aber keine dauerhafte Lösung geschaffen. Und je länger Fordo unversehrt bleibt, desto größer die Gefahr, dass sich das Blatt erneut wendet.

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